Die Polizei in deiner Wohnung . . .
. . . und das ohne einen richterlichen Beschluss, seit dem 1. August ist auch das in Bayern möglich, dank des neuen Polizeiaufgabengesetzes. Laut diesem Gesetz dürfen Polizeibeamte in deine Wohnung eindringen, einen sog. “Trojaner” installieren und deine Festplatten kopieren. Außerdem natürlich noch einiges mehr neben IMSI-Catchern und Lauschangriff.
Ein bisschen genaueres dazu gibt es unter anderem bei folgenden Meldungen: Heise // Indymedia
Versammlungsgesetz beschlossen
Die CSU-Landesregierung hat am 28. Juli das neue bayerische Versammlungsgesetz beschlossen und es soll am 1. Oktober in Kraft treten.
Damit ist der letzte Schritt im Gesetzgebungsverfahren getan – und unsere nächste Etappe gegen das bayerische Versammlungsgesetz eröffnet: Ab nun ist es möglich, eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Gesetz einzureichen.
Unter dem nun gültigen Recht heißt es, sich konkret damit auseinanderzusetzen und ggf. auch andere Aktionsformen ausserhalb der Rahmens dieses Gesetzes zu finden.
Ausblick
Wie wird es nun mit Demos, Kundgebungen und – ja! – Infoveranstaltungen weiter gehen? Sicherlich wird auch hier erst die Praxis zeigen, wie sich das Gesetz konkret auf politische Betätigung in Bayern auswirken wird. Die Erfahrung aber zeigt, dass Polizei und Behörden neue Instrumentarien rasch be- und ausnützen. Eine Nagelprobe dafür könnten die Demonstrationen gegen die nächste “Sicherheitskonferenz” im Februar in München werden.
Wie DemonstrantInnen auf die neue Rechtslage reagieren werden, bleibt offen. Absehbar ist, dass es deutlich mehr Spontandemonstrationen geben wird. Diese “Eilversammlungen” unterliegen auch nach dem neuen Gesetz nicht dem scharfen Regelwerk, das für Versammlungen in Bayern gelten wird, die länger als 72 Stunden vor Beginn bekannt sind.
Naheliegend ist zudem, dass es häufiger als bisher zur Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei kommen wird, die – deutlich öfter als bisher – den VersammlungsleiterInnen zu Last gelegt werden. Die Polizei wird nach kaum nachvollziehbaren Kriterien bestimmte Demos oder Teile davon als “militant” bezeichnen, die VeranstalterInnen zum Abbruch der Aktion oder Auschluß der “Militanten” drängen und schließlich selbst auflösen können. VersammlungsleiterInnen müssen sich generell auf noch mehr juristische Auseinandersetzungen einstellen, als ohnehin in letzter Zeit stattfinden.
Jetzt auch in Baden-Württemberg
Wie erwartet (testify berichtete) dient Bayern als Vorbild für andere Bundesländer. Diese können seit der Föderalismusreform jeweils ein eigenes Versammlungsgesetz beschliessen.
Bayerns Nachbar, Baden-Württemberg, plant nun ebenfalls ein neues, eigenes Versammlungsrecht. Es überrascht nicht, dass der Inhalt den bayerischen Einschneidungen in die Grundrechte ähnelt. Ausschnitte des geplanten Gesetzestexts gibt’s in einem Artikel auf versammlung.blogsport.com .
Es bleibt den WürttenbergerInnen nur zu wünschen, im Vorfeld gegen die Planungen mehr als es in Bayern gelang auszurichten.
Rückblick und Erkenntnis
Nahezu schon in den Hintergrund gerückt ist die Thematik Schäubles “Vorratsdatenspeicherung” und “Stasi 2.0”.
Dabei ist sie ein Teil des gesamten Staatsumbaus, der meist unter dem Deckmantel der “Sicherheit” läuft.
Man könnte sich gar fragen, ob Schäuble und co bei einem Anblick von übrig geblieben hörigen Bürgern (der Rest wäre im Gefängnis, ausgewiesen, beim Bund oder der Polizei), umgeben von Stacheldraht, Videokameras und Selbstschussanlagen, seufzen würden: “Endlich sicher”…
Diese nette Charikatur und die Thematik des “Strebens nach Sicherheit” macht neben den Überlegungen, ob so viel Sicherheit statt Freiheit überhaupt erwünscht ist, meist die grundlegende Frage vergessen:
Geht es tatsächlich um unsere Sicherheit ?
Zur Beantwortung dieser Frage muss man etwas ausschweifen:
Es sind mehrere Vorgänge, die den deutschen Staat derzeit umkrempeln:
Neben der Vorratsdatenspeicherung und dem Entzug des Rechts auf freie Versammlung wird die Bundeswehr zu einer “Armee im Einsatz” umstrukturiert sowie im Inneren eingesetzt und für Einsätze gegen Demonstranten im Blaumann trainiert; die Polizei, der immer mehr Freiheit zur Willkür eingeräumt wird, wird verfassungswidrig mit dem Geheimdienst zusammen gelegt, diese arbeiten im “gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum” mit Militär und Abschirmdienst zusammen. Und da war er, ganz beiläufig: Der Begriff “Terrorabwehr”.
Seit den Anschlägen von 9/11, die wir genauso verurteilen wie Schäuble, ist die Bedrohung durch Terrorismus das absolute Argument für all jene Maßnahmen. Das dieses “Argument” aber nur eine scheinheilige Rechtfertigung ist, bringt ein Motto von Schäuble-Gegnern aus München treffend auf den Punkt:
” Gegen das Volk die Bundeswehr ? Das ist keine Terrorabwehr ! “
Laut Schäuble sind wir alle 129a !
Wenn ein Innenminister Maßnahmen gegen die Staatsbürger (wie zB Bundeswehr im Innern, Speicherung sämtlicher Daten, …) mit Abwehr von Terror rechtfertigt, stellt er somit jeden einzelnen Staatsbürger unter Terrorverdacht. Schäuble macht jeden deutschen Staatsbürger (und Menschen ohne deutschem Pass sowieso) grundsätzlich des Straftatbestands des durch ihn neu geschaffenen Paragraphen 129a (“Bildung einer terroristischen Vereinigung”) verdächtig.
“Selber Terror”, Herr Schäuble !
Schäuble terrorisiert die Demokratie; seine Maßnahmen verstoßen gegen das Grundgesetz und bekämpfen keinen Terror. Sie schaffen keine Sicherheit vor einer “Bedrohung durch den Terror”. Und wieder stellt sich uns die Frage, ob Schäubles Handeln denn überhaupt dafür da ist, mehr Sicherheit zu gewährleisten. Doch nur einmal angenommen, der Innenminister wäre tatsächlich nur um die innere Sicherheit besorgt: Selbst unter diesen Umständen würde er dieses Ziel mit seiner Politik, die all diesen Nebenwirkungen für demokratische Grundrechte mit sich bringt, weit verfehlen. Denn eine derartig gravierende Beschneidung der Freiheit des einzelnen Bürgers bekämpft keinen Terror sondern schürt ihn lediglich an. Übertrieben gesagt: Jedem noch so demokratischer Bürger wird ein Anlass gegeben, zum Terroristen zu werden, denn Schäubles “Terrorabwehr” zielt auf friedliche Bürger und nicht auf vermeindliche Terroristen ab. Sogar und erst recht jedem friedlichen Demokraten ist diese Demokratie in der Bundesrepublik unter diesen Umständen nichts mehr Wert. Kein Wunder, wenn solch ein einstiger friedlicher Demokrat dann zu undemokratischen Mittel griffe. Man sieht also:
Selbst wenn Schäuble Terror abwehren wollte, würde er durch seine Politik das genaue Gegenteil erreichen. Durch seine “Terrorabwehr” wird genau das Gegenteil entstehen: Terror wird geschürt, und Schäuble setzt ihm die Argumente mundgerecht vor.
Doch die letzten Abästze dieses Textes bezogen sich darauf, dass es tatsächlich die Absicht der Politik wäre, für Sicherheit zu sorgen. So kommt man nun zurück zu der Frage, ob es denn tatsächlich um unsere Sicherheit geht, und somit auch endlich zu ihrer Antwort:
“Geht es tatsächlich um unsere Sicherheit ?” – Antwort
Mit diesen Erkenntnissen lässt sich die einleitend gestellte Frage simpel beantworten.
Man erkennt, dass keine vereinzelten Reformen vorgenommen werden; Es ist eine breitere, ganz allgemeine Umformung in der Bundesrepublik angelaufen. An dieser Stelle sei nicht einmal bezweifelt, dass so manches Vorhaben ein gewisses Maß an höherer Sicherheit brächte.
Doch wird klar, dass diese Wandelung tatsächlich für etwas anderes als höhere Sicherheit von statten geht: All die Umstrukturierungen, also Vorratsdatenspeicherung, Abschaffung der Versammlungsfreiheit und speziell die Missachtung der strikten Trennung von Polizei, Geheimdienst und Militär, formen diesen deutschen Staat Stück für Stück zu einem ähnlichen wie jenen von 1933.
Was nach 1933 in Deutschland geschah, wäre ohne diese Struktur des Herrschaftsapparates und nicht zuletzt der Armee nicht möglich gewesen. Und es sind bereits Parallelen erkennbar:
Dass die Polizei eine Einheit im gesamten Reich war, hatte verheerende Wirkung; Die Bundesrepublik formt eine im gesamten Bund einheitliche Polizei, sozusagen eine Bundespolizei, die nicht nur zur Aufgabe hat die Grenzen zu sichern und in dieser Form nach dem Potsdamer Abkommen aus gutem Grund nicht entstehen dürfte.
Eine weitere Parallele ist die damalige, für den deutschen Imperialismus bereits typische, aggressive Aussenpolitik. Nach einer wahnsinnigen Rüstungs- und Rekrutierungsphase begann Deutschland mit einem Angriffskrieg gegen Polen den zweiten Weltkrieg, welchen Deutschland in der Folge intensivst in alle Himmelsrichtungen führte und nur Dank der Befreiung durch die Aliierten verlor. Heute sind wir zwar nicht im Angriffskrieg, zumindest nicht so offensichtlich, aber die Bundeswehr wird umstrukturiert zu einer “Armee im Einsatz” [Weissbuch], sprich einer Armee die nicht dem Potsdamer Abkommen entsprechend nur zur Verteidigung und Katastrophenhilfe dient. Laut Verteidigungsminister “verteidigt” sie Deutschland mittlerweile bis zum Hindukusch. Deutsche Soldaten sind in etlichen Ländern der Welt stationiert, von Wiederaufbau ist auch nach Jahren nichts zu erkennen. Ähnlich wie im dritten Reich rekrutiert die deutsche Armee an Schulen, Arbeitssuchenden wird der Dienst an der Waffe empfohlen und die Gesellschaft wird wie in den 30ern durch Medien, Lügen und Propaganda militarisiert, sprich für kriegerische Handlungen sensibilisiert (daran gewöhnt).
Dieser Staat entwickelt sich äußerst gefährlich. Es geht nicht um Sicherheit, tatsächlich geht es um die Wiederholung der Geschichte.
1945 wurde nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt durch die Aliierten vom Hitlerfaschismus befreit. Doch im Gegensatz zum Rest der Weltbevölkerung war das “deutsche Volk” kein befreites Opfer: Mit Ausnahme der kommunistischen Widerstandskämpfer waren die Einwohner Deutschlands Täter; Sie waren Täter, weil sie geschwiegen haben, als sie sahen, was ihr Staat innen sowie aussen anrichtet. Uns Jugendlichen von heute steht ein kein Urteil zu, ob man die Umkrempelung des Staates als gefährlich hätte erkennen können oder müssen, oder ob man den Menschen zumuten hätte können, zu handeln als das Regime bereits totalitär regierte.
Doch sicher ist: Wir haben aus der Geschichte gelernt, und umso mehr erkennen wir, dass Vorratsdatenspeicherung, Versammlungsrecht und Militarisierung wieder genau solche gefährlichen Umbaumaßnahmen des Staates sind. Sollte die deutsche Gesellschaft als Ganzes, gerade jetzt, wieder schweigen, oder die Maßnahmen gar nicht als solch gefährliche erkennen (wollen), werden uns die nächsten Generationen als Täter beschimpfen, und das zurecht.
Es folgt:
“ Betrachtung von Schäubles Maßnahmen als Teil eines Ganzen “
Wenn es nicht um unsere Sicherheit geht, “Terrorabwehr” nur als Vorwand dient und man die “Sicherheitspolitik” als Teil einer größeren Staatsumformung begriffen hat, so stellt sich eine weitere Frage: Warum findet dieser Staatsumbau statt? Sind die Politiker einfach nur so bösartig?
In dieser Betrachtung soll erklärt werden, was Schäuble und co. den eigentlichen Anlass zu diesem undemokratischen und verfassungsfeindlichen Handeln gibt.